500 Jahre Widerstand der Indios, Schwarzen und Volksbewegungen

 
Espaço Cultural
do Povo
Xukurú do
Ororubá

Die neue Führung der Xukuru: Zequinha (der
Pajé, links), Marcos Luidson Araújo (der neue
Kazike, mitte) und Zé de Santa (sein Stell-
vertreter, rechts)
 
 

22. April 1500 - 22. April 2000

Wir nähern uns dem 22. April 2000, dem Tag, an dem vor 500 Jahren eine Gruppe bewaffneter Portugiesen an Land ging, um es als Kolonie zu annektieren.

Seit mehr als 40.000 Jahren lebten hier rund 970 Völker mit über 5 Millionen Menschen. Sie waren die rechtmäßigen Besitzer dieses Landes. Was sie nicht hatten, waren weder Antikörper gegen europäische Krankheiten, todbringende Feuerwaffen noch ein Drang zu Gewalt, Ausbeutung, Verwüstung und Plünderung. Das brachten jenen Männer, die zerlumpt und krank an der Küste des heutigen Cabrália, im Süden von Bahia, vor fünf Jahrhunderten als "Entdecker" einer Neuen Welt anlegten, um auf diesem Gebiet ihre Ideen von Zivilisierung, Fortschritt und Evangellsierung durchzusetzen.

Damals begann die mit tödlicher Brutalität organisierte Expansion der Alten Welt in diesem Land, wobei alles, was sich in den Weg stellte, ausgeräumt wurde. Jener 22. April 1500 war ein dunkler Tag, Anfang von Gewalt und Unmenschlichkeit, die bis heute andauern.

Unsere Sichtweise der Geschichte

Wir, die indigenen Völker, die Schwarzen, die sozialen Organisationen und alle, die sich in der Bewegung "Brasilien: 500 Jahre Widerstand der Indios, Schwarzen und Volksbewegungen" zusammengefunden haben, gehen bei der Lektüre der Geschichte von jenen aus, die viel Leid ertragen mussten und gegen die koloniale Plünderung und Ausbeutung kämpften, die man aus ihren Ländereien, den Städten und der offiziellen Geschichte verdrängte.

Wir schenken der Geschichtsschreibung der dominierenden Klassen keinen Glauben, die sich als einzige Protagonisten und Sieger darstellen, die in ihrer falschen Version des historischen Prozesses als Helden auftreten. Unsere Bewegung will dieses offizielle Lügengebäude entlarven und die wahre Geschichte der indigenen Völker, der versklavten Schwarzen, der Ausgebeuteten und Ausgeschlossenen erzählen:

  • die Wahrheit der indigenen Völker, die seit fünf Jahrhunderten leiden, die der ständigen Vernichtung ausgesetzt sind, deren ungleiche heldenhafte Kämpfe immer das eine Ziel verfolgten und noch verfolgen, ihre Territorien, Kulturen, Identitäten, Religionen und Lebensweisen zu bewahren;
  • die Wahrheit der afrikanischen Völker, die gefangen, gewaltsam entwurzelt und aus ihrer Heimat hierher verschleppt wurden. Fast 400 Jahre leben sie in diesem Land, dessen Produktionssystem sie verhöhnt und verurteilt. In heroischer Weise errichteten Protagonisten freie Territorien, die sogenannten Quilombos, als lebendige Beweise für die Bewahrung der menschlichen Würde. Angesichts der Unterdrückung dauert der Kampf der Organisation der Schwarzen bis in die Gegenwart an;
  • die Wahrheit der Volksbewegungen, deren Einsatz im Verlauf der Jahrhunderte immer auf Veränderungen abzielte und die eine gerechte und geschwisterliche Gesellschaft anstrebten. Sie zählen vor allem zu den Protagonisten der jüngeren Geschichte, etwa zur Zeit der Militärdiktatur oder seit der Durchsetzung des neoliberalen Modells. Die Landreform und die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit sind heute ihre zwei Hauptanliegen auf dem Weg zu einer neuen Gesellschaft.

Wenn auch in unterschiedlicher Form, war die Gewalt ein ständiger Begleiter der brasilianischen Gesellschaft in den letzten 500 Jahren. Gleichzeitig gab es aber auch Beispiele von Edelmut, Kreativität und Entschlossenheit, ein freies und unabhängiges Land zu schaffen, in dem Gerechtigkeit und Menschenwürde herrschen. Dieses Vermächtnis stammt von den indigenen Völkern, den Schwarzen und den Volksbewegungen. Bis heute zeigen sie uns Möglichkeiten, um das Leben und die Gesellschaft zum Wohl aller zu verändern.

Unsere Bewegung will ganz eindeutig einen Gegenpol zu den offiziellen Festakten setzen. Diese feiern den 500-jährigen Aufbau einer vermeintlich vereinten und harmonischen Nation, die aus ihrer Sicht mit der "freiwilligen Beteiligung" der indigenen Völker, der in dieses Land "verpflanzten" Afrikaner und der weißen Europäer geschaffen wurde. Vergangene und aktuelle Konflikte kommen dabei nicht zur Sprache. Für uns sind die Konflikte Teil der Geschichte, der Gegenwart und wie sich abzeichnet auch der Zukunft.

Die Brutalität des kolonialen Unternehmens ist verantwortlich für den indigenen Genozid, der ganze Völker auslöschte, für die Barbarei der Versklavung, die afrikanische Gemeinschaften und Familien trennte, für die täglichen erbarmungslosen Grausamkeiten gegenüber dem Volk, mit der Bilanz, dass Brasilien bis heute zu den Staaten mit den meisten Ungleichheiten auf dem Planeten zählt. Diese historisch gewachsene Wirklichkeit ist ohne die Benennung der Konflikte nicht zu verstehen, der Konflikte zwischen Völkern, Klassen, Ideologien, zwischen Lebens-, Menschheits- und Weltkonzepten der eigenen Geschichte.

Unser Gedenken

Unsere "Vereinigung Brasilien: 500 Jahre Widerstand der Indios, Schwarzen und Volksbewegungen" beabsichtigt auch zu feiern, nämlich die errungenen Erfolge des kollektiven Einsatzes, die Initiativen der zahlreichen anonymen Helden, deren Namen in keinem Geschichtsbuch erscheinen. Wir werden uns an die Siege erinnern, die soviel Blut und Leid kosteten, die viele Märtyrer hervorbrachten, an die Hoffnung in den Herzen der Menschen, die nur eines im Sinn hatten, den Glauben an eine menschliche Welt.

Es waren Siege und Niederlagen eines immer ungleichen Kampfes: auf der einen Seite Reichtum, Macht, Waffen, Missachtung des Lebens und Arroganz, auf der anderen Seite das kollektive Leben, menschliche Arbeit, die Solidarität Gleichgesinnter, Demut und Grosszügigkeit und grenzenlose Hoffnung.

Am Miarkstein dieser 500 Jahre werden wir auch die Zukunft feiern. Als Erben einer Vergangenheit von Widerstand und Kampf haben wir die Gewissheit, dass es trotz der vielen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten möglich ist, eine freie und gerechte Gesellschaft aufzubauen, in der Gleichheit und Geschwisterlichkeit regieren. Ein Traum, den wir anstreben und den noch viele nach uns anstreben werden.

Unsere Aktivitäten

Um unser Ziel zu erreichen und die Erinnerung an den 500 Jahre dauernden Widerstand der Indlos, der Schwarzen und der Volksbewegungen würdig zu begehen, verpflichten wir uns:

  • innerhalb unserer Organisationen und Bewegungen, einen Reflexionsprozess und kulturelle Initiativen in Gang zu setzen, die im Bezug zur Frage der 500 Jahre stehen;
  • in der Woche vom 18. bis 24. April 1999 die Anliegen der "Kampagne Brasilien: 500 Jahre Widerstand der Indios, Schwarzen und Volksbewegungen" im ganzen Land simultan zu verbreiten;
  • im April 2000 verschiedene Veranstaltungen im Süden von Bahia zu organisieren, etwa einen gemeinsamen Marsch, ein ökumenisches Gebet, ein kulturelles Fest, um die Bedeutung der letzten 500 Jahre der Geschichte für die Indlos, die Schwarzen und die Volksbewegungen den anderen Gruppen der Gesellschaft zu vermitteln;
  • den sozialen Einsatz unserer Bewegung in den Gemeinden und Regionen auf das ganze Land auszudehnen und auch international aufzutreten, in Lateinamerika wie in Europa und hier vor allem in Portugal.

CIMI/Dezember 1998

Ein Leben im Widerstand - ein kurzer Überblick über die Geschichte der Xukuru

Die Xukuru leben im Nordosten Brasiliens im Bundesstaat Pernambuco. Im Übergangsbereich zwischen der Landschaftszone des halbfeuchten Agreste zur trockenen Dornbuschsteppe des Sertão liegen ihre Dörfer. Anscheinend haben sie dort auch schon gelebt, als die ersten portugiesischen Siedler ab 1654 von der Küste aus ins Landesinnere vordrangen. Sie stießen auf in kleinen Gruppen organisierte Indianer, die sie als "Barbaren" oder mit dem indianischen Wort "Tapuias" bezeichneten. Diese Indianer waren die Xukuru, die anders als die Indianervölker an der Küste zur großen Sprachfamilie der Macro-Jê gehören. Weil die Xukuru wegen der schwierigen klimatischen Bedingungen an nur wenigen niederschlagsreichen Plätzen Gartenbau betreiben konnten und für ihre Jagd und Wildbeuterei ein weites Areal durchstreiften, gerieten die Ureinwohner schon bald mit den Kolonisten in Streit.

Der portugiesische König vergab an einige auserwählte Herren unter seinen auswanderungswilligen Untertanen große Ländereien in Brasilien, die Sesmarias genannt wurden. Es handelte sich bei diesen Lehnsmännern um wohlhabende Personen, häufig Adlige, die im fruchtbaren Küstenstreifen Nordostbrasiliens Zuckerrohrplantagen und Zuckermühlen besaßen und die nun im weniger ertragreichen Hinterland damit begannen, Viehzucht zu betreiben. Die katholische Kirche segnete die portugiesische Landnahme ab. 1661 gründete der Oratorianerorden die Mission von Orubá mit dem erklärten Ziel, die Indianer zum Christentum zu bekehren und sie zu "zivilisieren". Zu diesem Zwecke schenkte der portugiesische König auch den Oratorianern viel Land, auf dem versklavte Indianer nicht sehr viel anders als auf den Fazendas der Großgrundbesitzer dahinvegetierten.

Die meisten von ihnen wurden gezwungen, sich als Viehhirten durchs Leben zu schlagen. Da diese Situation für die Indianer des Nordostens unerträglich war, schlossen sie sich insgeheim in der "Konföderation des Cariri" zusammen. Sie erhoben sich und führten von 1692-1696 Krieg gegen die verhassten Europäer. Zwar konnten die Indianer letztendlich nicht geschlagen werden, aber trotzdem erklärten sie sich nach vielen ermüdenden Kämpfen und Scharmützeln bereit, das Christentum zu übernehmen und 5.000 ihrer Krieger an die portugiesische Armee abzutreten. Kaum war der Friede geschlossen, setzte eine heftige Verfolgung der Dörfer ein, die sich der "Konföderation des Cariri" angeschlossen hatten.

1757 verschärfte sich die Lage der indianischen Völker zusätzlich durch die neue Gesetzgebung des Marquis de Pombal. Als Erster Minister des Königs führte der im Geiste der Aufklärung wirkende Marquis Sebastião José de Pombal eine ganze Reihe von Reformen im Finanz-, Heeres-, Rechts-, Erziehungs- und Polizeiwesen durch. Für die Indianer bedeutete es, dass ihre Dörfer portugiesische Namen erhielten und rechtlich den Siedlungen der anderen Untertanen gleichgestellt wurden. Vorher hatten sie unter dem besonderen Schutz der Kirche gestanden. Die Xukuru mussten portugiesische Vor- und Nachnamen annehmen, in Einfamilienhäusern leben (und nicht mehr wie zuvor in Gemeinschaftshäusern) und die portugiesische Sprache als einzige Verständigungssprache akzeptieren. Die pombalinische Gesetzgebung forderte ausdrücklich die Vermischung zwischen Weißen und Indianern, wodurch treue und "zivilisierte" Untergebene geschaffen werden sollten.

Die wichtigste Siedlung der Xukuru hatte zunächst Ararobá geheißen und war dann in Monte Alegre umbenannt worden. Jetzt erhielt sie den Namen eines portugiesischen Fischerdörfchens: Cimbres. Zwar gab es in diesem Ort einen Gemeinderat, der paritätisch von Weißen und Indianern besetzt werden sollte, aber die portugiesischen Viehzüchter, Händler und Ladenbesitzer manipulierten ständig die Wahlen und übernahmen immer offener die Gemeindeverwaltung. Damals lebten nicht nur in Cimbres Indianer, sondern auch in anderen Dörfern in der Serra do Ororubá. Sie pflanzten Mais und stellten Mehl her. Nur in Sítio Jenipapo züchteten sie auch im kleineren Umfang Vieh. Als Untertanen des Königs waren sie gezwungen, von allem, was sie produzierten und züchteten, den Zehnten an den Herrscher abzuführen.

Nachdem sich Brasilien 1822 von Portugal gelöst hatte, verbesserte sich die Indianergesetzgebung keineswegs. 1845 erließ Kaiser Pedro I. neue Richtlinien, durch welche die Institution der Indianerdirektoren ins Leben gerufen wurde. Sie sollten die indianischen Belange gegenüber der brasilianischen Gesellschaft vertreten, waren aber in der Regel am Indianerland interessierte Fazendeiros und Parteigänger des Monarchen. So verwundert es auch nicht, dass Indianerdirektoren und Gemeinderat von Cimbres gemeinsam die Auflösung des indianischen Status des Ortes betrieben. 1879 war es dann soweit: Cimbres galt ab sofort nicht mehr als indianische Siedlung, das Land wurde vollständig zwischen Indianern und Nichtindianern aufgeteilt. Bei dieser Gelegenheit eigneten sich weiße Großgrundbesitzer scheinbar legal sehr viel Land an, das sie vorher geraubt oder von den Indianern gepachtet hatten. Viele Xukuru dagegen blieben unberücksichtigt. Das Gemeindeland, das die Xukuru Indianer vorher gemeinsam benutzt hatten, ging ebenfalls fast vollständig verloren. Viele Xukuru sahen sich jetzt gezwungen, auf den Fazendas der Großgrundbesitzer zu leben. Andere ließen sich an der Peripherie der Küstenstädte nieder und schufteten in den Zuckerrohrplantagen. Trotz massiver Verfolgungen leisteten die im Bergland von Ororubá gebliebenen Familien aber weiterhin Widerstand und verteidigten verbissen den immer rascher zusammenschmelzenden Landbesitz.

Eine gewisse Wende trat durch den Paraguay-Krieg von 1864-1870 ein. Während zunächst "Freiwillige" in den Kampf gezogen waren, griff die brasilianische Heeresleitung im Laufe der Zeit zu immer repressiveren Mitteln und zwang Sklaven, Indianer, Minderjährige, Kranke und generell arme Leute in Massen in die Armee. Die mündliche Tradition der Xukuru behauptet, es seien 30 der Ihren nach Paraguay gezogen; nur 12 kehrten wieder zurück. Sie lehnten Geldgeschenke, die ihnen angeboten wurden, kategorisch ab und verlangten Landtitel. Sie wurden ihnen dann auch tatsächlich gnädig gewährt, versehen mit der Unterschrift Pedros II. und seiner Tochter, der Prinzessin Isabel. Jetzt hatten sie zwar offizielle Landtitel, aber der Boden blieb auch weiterhin fast vollständig von Nichtindianern besetzt.

Damals behaupteten die Großgrundbesitzer, es gebe keine Indianer mehr in der Serra do Ororubá. Sie hätten sich vollständig mit Afrikanern und Europäern vermischt. Damit wollten die Fazendeiros verhindern, dass die zugunsten der Ureinwohner geschaffene Gesetzgebung angewendet wurde. Diese staatlichen Indianerdekrete sahen zwar in ihren Schützlingen nicht mehr als kulturell minderbemittelte Mündel, die erst noch in die Gesellschaft integriert werden sollten, aber immerhin war damit die Verpflichtung des Staates verbunden, den Landbesitz der Indigenen zu garantieren. Trotz aller Verfolgungen und Behinderungen hielten auch weiterhin einige Xukuru-Familien an ihrem Indianertum fest. Sie führten im Verborgenen ihre alten Rituale durch und tanzten, abgeschirmt von den Augen der Umwelt, im Busch den Toré, den bekannten Rundtanz der nordostbrasilianischen Indianer. 1935 schrieb der Journalist, Politiker und Wissenschaftler Mário Melo in der Zeitung des Instituts für Archäologie und Geschichte von Pernambuco, dass noch Xukuru in Cimbres lebten. Sie seien stolz auf ihre Abstammung und fühlten sich den anderen Bewohnern des Ortes überlegen. Gegen die Weißen hegten sie, so schrieb Melo, einen tiefen Groll, weil diese ihnen ihr Land genommen hätten.

1944 berichtete der für den staatlichen Indianerschutzdienst SPI tätige Waldläufer Cícero Cavalcanti von der Existenz von 2.191 Indianern in den Orten Cana Brava, Brejinho, Caldeirão, Jitó, Lagoa, Sítio de Meio und Riacho dos Afetos. Cavalcanti erwähnte in diesem ersten offiziellen SPI-Dokument über die Xukuru ausdrücklich die Verfolgung durch die Nichtindianer und speziell die Polizei, welche die Rituale der Ureinwohner als Hexenspuk verdammte. Die Repression ging so weit, dass sich die Indigenen gezwungen sahen, ihren Toré auf dem katholischen Marienfest "Nossa Senhora das Montanhas" aufzuführen, um ihn überhaupt ungehindert tanzen zu können.

Der SPI, der staatliche Indianerschutzdienst, wurde 1910 von Marschall Rondon gegründet und betreute zunächst die Indianer von Mato Grosso und Amazonien. Er sollte diese von der völligen Ausrottung bedrohten Indianer langsam an die Gegebenheiten der westlichen Zivilisation heranführen. Der SPI erhielt vom Staat den Auftrag, die indianischen Kulturen zu bewahren und den indianischen Landbesitz zu schützen. Deshalb bemühten sich die Indianervölker des Nordostens in der Folgezeit, ebenfalls offiziell als Indianer anerkannt zu werden und unter den Schutz des SPI zu kommen. Die ersten, denen das gelang, waren die Fulni-ô von Aguas Belas, die als einzige Indianer Nordostbrasiliens noch ihre alte indianische Sprache beherrschten. Da die Xukuru aufgrund der Machenschaften der Großgrundbesitzer von Pesqueira nicht als Indianer anerkannt wurden, sondern als Indianermischlinge (Caboclos) galten, marschierten in den 50er Jahren einige Xukuru zu Fuß bis in die damalige Landeshauptstadt Rio de Janeiro, wo sich die SPI-Zentralverwaltung befand. Sie erreichten es immerhin, dass der SPI 1954 in São José von einem Fazendeiro ein kleines Stückchen Land kaufte und darauf einen Indianerposten errichtete. Die Landfrage konnte aber auch der SPI nicht lösen.

In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts begann in ganz Brasilien der bis heute andauernde Prozeß der Organisierung der indianischen Völker. Zunächst noch mit Hilfestellung des Indianermissionsrates CIMI, dann aber zunehmend eigenständig, bildeten sich auf regionaler, bundesstaatlicher und nationaler Ebene die verschiedensten Zusammenschlüsse, die aber letztlich alle dieselben Ziele verfolgen: Anerkennung der indianischen Völker als eigenständige ethnische Einheiten, Verteidigung der indianischen Kulturen und Sprachen, Widerstand gegen Rassismus und jede Form der Unterdrückung, Kampf gegen den ständig drohenden Verlust des vom Staat garantierten Landbesitzes sowie Durchführung von Maßnahmen zur Rückerlangung des bereits verlorengegangenen Bodens. Es ist ganz gleich, ob es um das 1973 verabschiedete Indianerstatut, das 1978 zur Beratung vorliegende Emanzipationsedikt oder andere gegen die Indianer gerichtete staatliche Pläne ging: Die Xukuru waren bei allen diesen Kämpfen dabei und gewannen im Laufe der Jahre immer mehr Selbstbewußtsein. Deshalb gehörten sie auch 1985 zu den Gründern der UNI/NE (Union der Indianischen Nationen/Nordosten), durch den die völlig verstreut lebenden und unorganisierten Indianer des Nordostens ein wichtiges Sprachrohr erhalten sollten. 1987 und 1988 machten sich die Xukuru stark für die Verabschiedung der neuen brasilianischen Verfassung, in der die Rechte der Indianer auf Land, Leben und Gleichberechtigung ausdrücklich anerkannt werden. Eine Xukuru-De-legation reiste deshalb sogar nach Brasília und trat im Kongress offensiv für die Belange der Ureinwohner ein. Als bei dieser Gelegenheit einer Gruppe von Indianern aus dem Amazonasgebiet der Eintritt verwehrt wurde, verhalfen ihnen insbesondere die Xukuru dazu, dass auch sie gehört wurden.

1989 entstand die "Kommission zur Artikulierung der Indianervölker des Ostens und Nordostens". Schon bald nach ihrer Gründung nannte sie sich APOINME. Der Xukuru-Kazike Francisco de Assis Araújo, genannt Xicão, war von Anfang an einer der herausragenden Vertreter dieses Zusammenschlusses. Seit 1991 tobt nun schon der politische Kampf um das Indianerstatut. Die Xukuru und viele andere Indianervölker treten dafür ein, dass es endlich verabschiedet wird, denn nur so können die in der Verfassung verbrieften allgemeinen Rechte der Indianer in konkrete Ausführungsbestimmungen übertragen werden. Das Indianerstatut wurde zwar bereits 1994 von der Abgeordnetenkammer in Brasília gebilligt, konnte aber durch den massiven politischen Druck des Staatspräsidenten Fernando Henrique Cardoso und seiner politischen Freunde bisher den Senat nicht passieren. Seit 1996 beunruhigt das Dekret 1775 die Indianervölker. Es verlangsamt und erschwert generell die Vermessung des Indianerlandes, indem es zum Beispiel den nichtindianischen Landbesetzern die Möglichkeit gibt, vor Gericht gegen die Demarkierung zu klagen. Aufgrund des Dekretes 1775 wurden schon viele Landvermessungen nachträglich überprüft und zum Teil Reservate verkleinert.

Der Kampf der Xukuru findet natürlich nicht nur auf nationaler Ebene statt, sondern auch direkt vor der eigenen Haustür. Die 7.600 Xukuru fordern insgesamt 26.980 ha Land für sich, die trotz der mittlerweile abgeschlossenen staatlichen Vermessung weitgehend von 281 Invasoren besetzt gehalten werden: Nur 3.200 ha befinden sich heute im Besitz der Xukuru. Unter den Besetzern sind nicht nur Kleinbauern, sondern auch örtlich anerkannte Großgrundbesitzer und sogar einige Verwandte des brasilianischen Vizepräsidenten.

Die meisten Xukuru leben von der Landwirtschaft. Sie pflanzen Bohnen, Mais, Süßkartoffeln, Maracujá und andere Früchte an und züchten Kühe, Schweine und Ziegen. Wegen der Landnot müssen viele auf den Fazendas der Großgrundbesitzer arbeiten. Bestärkt durch den Sieg in der Verfassungsdebatte, besetzten die Xukuru, unterstützt von anderen Indianern, dem CIMI, einigen Politikern und Basisorganisationen, im November 1990 die 110 ha große Region Pedra d’Agua. Sie ist für sie von besonders großer Bedeutung: Auf diesem Gelände liegt ein für sie heiliger Wald, in dem sie ihre traditionellen Rituale durchführten.Der Bundesstaat Pernambuco hatte dieses Gebiet für zehn Jahre ohne jede finanzielle Gegenleistung an ein landwirtschaftliches Unternehmen abgetreten. 1992 eroberten die Xukuru die Fazenda Caípe de Baixo zurück, die ein PFL-Gemeindepolitiker besetzt hielt. Unter Führung ihres Kaziken Xicão fanden noch drei weitere Rückeroberungen statt, bis ein gedungener Mörder den landesweit anerkannten Indianerführer am 20. Mai 1998 aus dem Hinterhalt niederstreckte. Xicão war seit 1992 bereits das dritte Todesopfer im Kampf der Xukuru um ihr Land. Amnesty International verurteilte den feigen Mord und machte die brasilianische Regierung mitverantwortlich dafür, da sie durch das Dekret 1775 die Landvermessung verschleppe. Der Tod Xicãos hat zwar dem Kampf der Xukuru einen schweren Schlag versetzt, er konnte aber nicht ihren Widerstandswillen brechen. Ganz im Gegenteil: Mehr denn je sind sie davon überzeugt, dass es keine Alternative zu ihrem jetzigen Weg gibt.

Quellen:

  1. Nossa História, aus: Xukuru - Filhos da Mãe Natureza. Uma História de Resistência e Luta, Olinda 1997
  2. Edson Silva: "Eles venceram a guerra...", aus: PORANTIM, Nr. 206
    Bearbeitung und Ergänzung: Bernd Lobgesang

Das Ritual

Das Ritual ist ein Teil unserer religiösen Überlieferung, wo wir Indios unseren Meister König Tupã und unsere Mutter Tamain loben.

Wir, die Xukuru aus den Ororubá-Bergen, loben so und tanzen den Toré. Wir kleiden uns in Gewänder aus Maisstroh oder auch Palmstroh, schmücken uns mit Vogelfedern und bemalen unsere Körper so, wie dies auch schon unsere Vorfahren machten. Ein Indio, den wir Bacural nennen, tanzt beim Toré immer an der Spitze, gibt mit der Maracá den Rhythmus vor und singt. Und wir alle folgen ihm und tanzen das Ritual. In unserem Dorf gibt es einen ganz bestimmten Ort, den wir Platz des Rituals nennen. Hier beten wir, und hier führen wir unsere Tänze auf, um unsere Gebräuche und Traditionen zu erhalten. Es gibt noch einen anderen überlieferten Platz in Cimbres, wo wir Xukuru jedes Jahr am 23. Juni um ein Feuer herum tanzen. Einige Indios tanzen über die Glut, um den Hl. Johannes den Täufer zu loben. Am selben Platz verehren und loben wir am 2. Juli Unsere Liebe Frau von den Bergen, unsere Mutter Tamain. Wir können den Toré aber auch auf irgendeinem Platz an irgendeinem Ort tanzen.

Da Ritual hat für uns Indios vielfältige Bedeutung. Das hängt ganz von dem Moment ab, an dem wir tanzen. Es kann für uns Einheit bedeuten, oder Kraft, Frieden, Glauben, Liebe, Religiosität, Heilung und vor allem Dank an König Tupã.

Durch das Ritual können wir religiöse Bitten stellen und unsere Mutter Tamain loben, unsere Mutter Natur. Das Ritual ist auch eine Möglichkeit, dass unsere Vorfahren mit uns in Kontakt treten können.

Übersetzung Dr. Hubertus Rescher

Der Pajé

Der Pajé ist eine weise Person, denn er erhielt von unserem König Tupã die Gabe der Weisheit und das Wissen um all unsere Vorfahren. Er ist ein Mensch, der viele Geheimnisse kennt, und er liebt es gar nicht, wenn man ihm viele Fragen stellt. Wenn jemand aus unserem Volk krank ist, wird er zum Pajé gebracht, damit dieser betet. Es ist wirklich unglaublich, aber wenn der Kranke von dort zurückkommt, fühlt er sich sehr viel besser. Der Pajé kennt alle Zauber aus vergangener Zeit und alle Heilpflanzen unserer Region. Nur der Pajé weiß genau, wie unsere Vorfahren zum Ritual her- und dann wieder zurückgebracht werden müssen. Wir alle respektieren den Pajé sehr, und er ist für uns so etwas wie ein Padre oder ein religiöser Führer.

Er verkörpert für uns in seiner Person, Vater, Arzt, Priester. Das soll heißen, er ist von jedem etwas. Früher hielten unsere Brüder, die schon gestorben sind, den Pajé für einen Gott. Er heilte damals viele Kranke, denn es gab eine Krankheit, die Gelbfieber genannt wurde und sich in erschreckender Weise ausbreitete. Der Pajé nahm einen Kranken, benetzte ihn mit kaltem Wasser, bettete ihn in eine Hängematte und legte unter diese Heilpflanzen. Diese grünen Blätter zündete er dann an. Der aufsteigende Rauch ließ den Kranken schwitzen, und schon am anderen Tag war er geheilt. Deshalb hielten alle ihn für einen Gott. Für uns Indios ist der Pajé ein Meister der Weisheit.

Der Pajé ist ein Indio, der alles über Heilprozesse weiß. Er ist unser Naturheiler, der durch das Gebet und durch Heilpflanzen, die er allein kennt, die Krankheit besiegt. Er ist der Held der indigenen Medizin, und durch ihn werden wir Indios geheilt mit der Macht Tupãs, der ihm die Gabe verlieh, durch Religion und Natur zu heilen.

Der Pajé ist für uns Indios ein Arzt, der durch die Kräfte der Natur heilt.

Übersetzung Dr. Hubertus Rescher

Der Toré

Alle Xukuru kennen den Toré-Tanz, bei dem wir singen und Tupã und Tamain loben für all’ das Gute, das sie uns geschenkt haben. Der Toré ist unbedingt Bestandteil des Rituals, er kann aber auch gesondert aufgeführt werden.

Beim Toré-Tanz empfangen wir auch unsere geliebten Ahnen. Wir glauben, dass sie immer in unserer Nähe sind, an einem heiligen Ort, der in den Wäldern liegt, aber dass sie uns während des Toré-Tanzes im Dorf besuchen. Sie sind unsere geistigen Führer, die im heiligen Wald leben.

Wir loben und verehren auch den König des Ororubá, die Königin der Wälder, die Königin der Geistwesen und alle Geistwesen des Waldes. All dies ist Teil unserer kulturellen Tradition, der Überlieferung der Xukuru aus den Ororubá-Bergen.

Der Toré ist eine ganz besondere Form der Religiosität, der unser indigenes Volk glauben lässt, dass wir unserem Vater König Tupã besonders nahe sind. Durch den Toré bewahren wir Indios unsere Bräuche und unsere Traditionen. Also können wir auch nicht zulassen, dass unser geheiligter Toré-Tanz entwertet und zerstört wird. Wir müssen diese Tradtionen am Leben erhalten. Durch den Toré erlangt das indigene Volk Kräfte, um zu leben und für seine Rechte zu kämpfen.

Der Toré verkörpert für die Indios das Leben. Er ist ein Loblied auf Tupã und auf unsere Patronin Tamain, unsere Mutter. Schließlich bedeutet der Toré für uns eine Reinigung von all dem, was uns beschränkt.

Die Regierungsbehörden verboten den Indios früher, den Toré zu tanzen und ihre Muttersprache zu sprechen. In jener Zeit nahmen Jagd und Fischfang ab und auch die traditionellen Früchte der Wälder, die nicht nur als Nahrung dienten, sondern auch in der traditionellen indigenen Medizin benutzt wurden. Das geschah, weil landlose Kleinbauern, Großgrundbesitzer und Industrielle unsere Wälder abholzten. Mit dem Holzeinschlag zum Verkauf und mit dem Anlegen großer Weideflächen verloren die Indios mehr und mehr Raum, auf dem sie ihre Pflanzungen anlegen konnten.

Übersetzung: Dr. Hubertus Rescher

Unsere Organisation

"... alles was es heutzutage innerhalb des indianischen Gebietes Xukuru gibt, ist ein Ergebnis der Selbstorganisation der Indianer, von den eigenen Anführern entwickelt".

Xicão

Interview, geführt von Elizabete Ramos
in:"Memórias do Povo Xukuru" - CCLF/1997

Hier sind wir

Einige weise Männer meinten, das 20. Jahrhundert würde die Zeit des Unterganges der Indianer sein. Am Ende dieses Jahrhunderts würde es keine Indianer mehr geben. Unsere tatsächliche Lage ist heutzutage ganz anders als ihre Vermutungen. Unsere Gemeinde, unser Volk und andere Völker werden trotz der oft auferlegten Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen tagtäglich größer. Wir haben aufgrund unseres Zusammenhaltes, unseres Kampfes und unserer Willenskraft große Erfolge. Es kommen auch neue streitbare Krieger dazu.

Nach 1988 erwachte wieder unser Bewußtsein. Unser Kampf begann vor allem mit der Festlegung der Indianerrechte in der Verfassung von 1988, für die sich die indianischen Völker aus ganz Brasilien mobilisiert hatten, und die Xukuru nahmen aktiv an diesen Kämpfen teil.

Das Recht jeder Gemeinde, sich auf ihre Art und Weise zu organisieren

Wir wissen ja, dass jedes Volk, jede indianische Gemeinde, jedes Dorf seine eigene Art und Weise hat, sich zu organisieren. Einige haben Häuptlinge, andere Kapitäne, einige haben Berater, andere wiederum Chefs und so weiter. Während all der vielen Jahre, in denen Brasilien bereits eine Verfassung hatte, war noch nie geregelt gewesen, dass die indianischen Gemeinden sich anders als der Brasilianische Staat organisieren durften, anders als die anderen Menschen in Brasilien.

Die Verfassung von 1988 brachte folgende Veränderung. In Paragraph 231 steht: "Die soziale Situation der Indianer wird anerkannt (...)."

Mit anderen Worten: In der Verfassung wird erstens anerkannt, dass die indianischen Völker ihre eigene Struktur haben. Zweitens haben die Indianer das Recht, sich weiterhin so andersartig zu organisieren. Und letztendlich bedeutet es, dass der Brasilianische Staat und alle Menschen in Brasilien - also auch die Indianer - verpflichtet sind, die unterschiedlichen sozialen Strukturen zu achten.

Die indianischen Gemeinden verkörpern diese soziale Struktur. Jede indianische Gemeinde hat das sehr wichtige Recht, vor Gericht ihre Rechte und Interessen zu verteidigen.

Infolge des gemeinsamen Kampfes und der gemeinsamen Reflexion der indianischen Völker führte der Strukturierungsprozess zu Fortschritten bei wichtigen Themen, wie z.B. bei der Autonomie und Selbstverwaltung in den Schulen, der verstärkten Wertschätzung der einzelnen Kulturen, der Wechselbeziehungen zwischen den Kulturen und umfassenden Allgemeinbildung, wobei eigentlich jeder dieser Schwerpunkte für sich gesehen bereits ein eigenständiges Streitthema ist. Der Strukturierungsprozess spielt also zur derzeitigen Lage eine wichtige Rolle für die Bewegung und die Verbände der Indianer.

Unsere Organisation ist ...

eine organisierte Gruppe von Personen, die ihre Rechte geltend macht, um ihr Volk und die dazugehärenden Gemeinden vor Gericht verteidigen können.

Die Organisation der Xukuru besteht aus einer Gruppe von Personen, die sich aus dem Häuptling und allen Anführern und Vertretern der Gemeinden zusammensetzt, wo alle sich für dieselben Ziele einsetzen, damit wir als durchstrukturierte Gemeinde auftreten können.

Die gemeinsamen Entschlüsse und Vorhaben werden durch unsere Organisation vertreten. Wir entscheiden alle zusammen in gemeinsamen Gruppendiskussionen, was das Beste für die ganze Gemeinde ist.

Unsere Organisation ähnelt auch einer Familie, in der die Vertreter im Namen der Gemeinde ihre Anliegen vortragen. Der Aufbau unserer jetzigen Struktur wurde durch den Aufklärungs- und Bewusstwerdungsprozess der Indianer ermöglicht. Es begann 1985 , als Francisco de Assis Araújo (Xicão) zum Vizehäuptling gewählt wurde.

Und so ist unsere Organisation aufgeteilt: ein Interner Ausschuss, eine Gruppe von Vertretern aus jedem Dorf, der Verband, die Tuxás und der Lehrerrat.

Die Vertreter

Unser Volk ist in 23 Dörfer aufgeteilt. Jedes Dorf hat einen Vertreter, der über alles,was vorfällt, Bescheid weiß und sich über die Bedürfnisse seiner Gemeinde auf dem Laufenden hält. Dieser Vertreter gibt die Anliegen seiner Gemeinde an den Häuptling und an die Interne Kommission weiter, damit eine Lösung gefunden werden kann. Die Vertreter treffen sich monatlich, um Lösungswege für Angelegenheiten,die ihnen wichtig sind, zu finden. Die Vertreter haben es nicht einfach, aber sie wurden von der Gemeinde gewählt und werden von den Anführern als diejenigen anerkannt, die in der Lage sind, Probleme zu erfassen, zu besprechen und zu lösen.

Der Interne Ausschuss

Der Interne Ausschuss setzt sich aus 12 Personen zusammen, ausgewählt vom Häuptling und vom Pajé=Medizinmann. Auch der Interne Ausschuss trifft sich monatlich, um die Probleme, die innerhalb und außerhalb der Dörfer auftreten, zu besprechen, um somit schnell und gezielt Lösungen zu finden.

Der Verband

Im Zuge des Organisationsprozesses haben wir die "Associação da Comunidade Xukuru do Ororubá" gegründet. Dieser Verband ist rechtsfähig, Entwicklungsprojekte auszuarbeiten, die nutzbringend für die gesamte Gemeinde sind. Mit den Unterlagen können wir auf die zuständigen Behörden Druck ausüben, um unserere Rechte auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene, die in der Verfassung von 1988 zugesagt wurden, zu gewährleisten.

Die notwendige Energie und Kraft für unseren Einsatz zur Gewährleistung unserer Rechte erhalten wir beim Toré-Tanz auf dem Ritualgelände, das auf dem Gelände von Pedra d’ Água, auf dem Felsen "Pedra do Reino do Orurubá" liegt.

Die Tuxás - sind eine Gruppe von Frauen, die den Pajé bei seinen religiösen Tätigkeiten begleiten.

Der Rat der Xukuru - Lehrer (COPIXO)

Der COPIXO (Conselho de Professores Indígenas Xukuru do Ororubá wurde im August 1997 mit dem Ziel gegründet, eine differenzierte, unserer Kultur entsprechende Erziehung in den Dörfern zu koordinieren. Nach mehreren Gesprächsrunden, zusammen mit dem Häuptling Xicão und weiteren Anführern, entschlossen wir uns, einen Lehrerrat zu gründen, da es für uns Lehrer immer schwieriger wurde, gegenüber den Behörden für die Gewährung unserer Rechte einzutreten. Unser Häuptling zeigte uns, dass wir eine Garantie für unsere Rechte nur erhalten, indem wir uns organisieren. Auch haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir eine Verbesserung der Bildung und Erziehung in unserem Gebiet nur zusammen mit unseren Anführern erzielen werden, die unser Volk in allen Anliegen und Bemühungen anleiten.

Der Rat besteht aus zwölf Lehrern und einem Führer, der als Verbindungsmann zwischen der Organisation der Führer und des Lehrerrates auftritt. Die Leitung des Rates trifft sich einmal im Monat, um Probleme zu erfassen, zu besprechen und gemeinsam Lösungen zu finden.

Der Lehrerrat macht Schulbesuche und organisiert Veranstaltungen. Auch vertritt er die Lehrer vor den staatlichen Behörden und bei den Veranstaltungen, die außerhalb unseres Gebietes stattfinden. Unser Ziel bei diesen Veranstaltungen ist es, den Lehrern klarzumachen, wie wichtig ihre Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen ist.

Die große Bedeutung des Rates in Zusammenarbeit mit den Führern besteht darin, den Traum unseres Häuptlings zu verwirklichen. In Zusammenarbeit mit den Führern sind wir heutzutage nicht nur im Bildungs- und Erziehungsbereich aktiv, sondern wir setzen uns auch für Grund und Boden, für den Gesundheitsdienst und die Schaffung einer Existenzgrundlage für unserer Gemeinde ein.

Der Häuptling

Der Häuptling ist der Chef über mehrere Indianerdörfer. Er ist ein Indianer von guter Herkunft, der vom Pajé und der Gemeinde ausgesucht wird. Der Häuptling versucht die Ressourcen für die indianischen Gemeinden aufzutreiben. Er muss sehr viel Mut besitzen, um sich für die Rechte des Volkes einzusetzen, und im Falle eines Fehlgriffes seinerseits kann der Pajé ihn zurechtweisen. Alle Indianer unseres Volkes achten den Häuptling wie einen Vater.

Der Häuptling ist der Vertreter aller Gemeinden und gibt die Richtlinien für den Kampf um unsere Rechte an. Er ist eine wichtige Persönlichkeit, nicht nur für uns Indianer, sondern auch für die Weißen.

Als Chef und Anführer ist der Häuptling für die Organisation der indianischen Xukuru-Gemeinde verantwortlich. Er wird von unserem Volk als Vater angesehen. Er verwaltet unser Gebiet und treibt Finanzmittel auf, um zukünftig bessere Lebensbedingungen für unsere Dörfer zu sichern. Sein Kampf für unsere Rechte gibt uns das Gefühl, beschützt zu werden, weil das einzige Ziel seiner Bemühungen die Absicherung unsere Existenzgrundlage ist.

Für uns Indianer bedeutet der Häuptling einfach alles. Er vertritt nicht nur das Volk der Xukuru, sondern gibt uns auch einen Grund, stolz zu sein, da er bei allen Entscheidungen nur das Wohl unserer Gemeinde im Sinn hat. Der Häuptling hat unsere volle Unterstützung, da wir ja die Möglichkeit haben, die Verantwortung der Entscheidungen über unsere Führern mit zu tragen. Er vertritt also alles und jeden.

Xicão - der Xukuru-Krieger

Xicão wurde 1950 als Sohn von Cícero Pereira de Araújo und Quitéria Maria de Araújo im Dorf Cana Brava geboren. Einen Teil seiner Kindheit hat er in diesem Dorf verbracht und ist zur dortigen ländlichen Grundschule gegangen.

Nach einigen Jahren entschloss er sich, Kraftfahrer zu werden, lebte drei Jahre in São Paulo, arbeitete und durchquerte unser Brasilien. Er wurde von unserem Vater Tupã berufen und entschloß sich, ins Xukuru Gebiet zurückzukehren. Obwohl er eine Zeitlang außerhalb des Dorfes gelebt hatte, sah Xicão sich selbst stets als Indianer und achtete die Sitten und Gebräuche der Älteren. Deshalb hat der Pajé ihm immer vertraut. Der Pajé wußte bereits, dass Xicão von Natur aus zu unserem Anführer auserwählt worden war. Der Pajé wußte, dass Xicão zurückkommen würde, wo immer er auch war, um die Führung unseres Volkes zu übernehmen. Er war auserwählt worden und wurde von den Zauberen beschützt.

Wir Indianer sind stolz darauf, einen Häuptling zu haben, der nicht nur für sich selbst verantwortlich war, sondern auch die Verantwortung für die ganze Indianergemeinschaft übernahm. Er fing sofort, an sich zu organisieren, und forderte die Abgrenzung von Grund und Boden. In dem Zeitraum, in dem das Parlament als Konstituierende Versammlung zusammengetreten war, um eine neue Verfassung auszuarbeiten, spielte Xicão eine aktive Rolle. Er war damals noch nicht Häuptling, aber sein Einsatz brachte seine außergewöhnlichen Führungsqualitäten zum Ausdruck, und er gewann die Anerkennung aller Indianischen Völker Brasiliens.

Er war Mitgründer und einer der Leiter der APOINME -"Articulação dos Povos Indígenas do Nordeste, Minas Gerais e Espírito Santo". Er wurde im ganzen Land und sogar im Ausland bekannt. Als Häuptling hat er sich für die Anliegen des Xukuru-Volkes eingesetzt, sich um die Streitthemen bemüht und diesbezüglich die Führung übernommen. Außerdem förderte er den Aufbau einer internen Organisation und hinterließ die Organisationsform, die wir heutzutage haben.

Das Xukuru-Volk mobilisierte sich für die Gewährung seiner Rechte und um die Abgrenzung seiner Gebiete durchzusetzen. Dabei gewannen die Xukuru die Solidarität der nationalen Gesellschaft.

Die Organisation und die Mobilisierung der Xukuru und das Engagement Xicãos in seiner Leitung steigerten den Hass der Posseiros, die in die Indianergebiete eingedrungen waren. Über 10 Jahre lang erhielt Xicão Morddrohungen und entkam den Anschlägen, die trotz der erstatteten Anzeigen von den zuständigen Behörden nicht weiterverfolgt wurden. Dem Tode geweiht, wurde Xicão am 20. Mai 1998 in der Stadt Pesqueira von einem Ppistoleiro erschossen. Für das Volk der Xukuru war die Ermordung Xicãos ein großer Schock. Doch durch seinen Tod hat unser Einsatz für die Gewährung unserer Rechte und die Vermessung unserer Gebiete noch mehr an Stärke und Beharrlichkeit gewonnen.

Der gepflanzte Samen wird weiterhin Früchte tragen.

Die APOINME und die Xukuru

"Als ich die Leitung hier im Gebiet übernahm, wurden auch die Grundlagen für die "APOINME" geschaffen. Kurz darauf erhielt ich eine Einladung der Pataxó aus Bahia, des Volkes Xokó und der Xukuru - Cariri. Unser Treffen war für uns der Anstoß, uns zu verbünden. Wir erkannten die Notwendigkeit, eine Organisationsform zu finden, die einen fortlaufenden engeren Kontakt mit weiteren Anführern, mit anderen indianischen Völkern ermöglichen würde, um Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit ihnen zu sammeln und Erfahrungen aus unserer politischen Tätigkeit auszutauschen.

Dann sind wir mit den Leuten ins Gespräch gekommen, und sie meinten, ein solches Bündnis sei durchführbar. Es würde sich auch positiv auswirken und den Indianern mehr Rückhalt geben, um die Abgrenzung ihres Grund und Bodens einzufordern, um eine Anzeige wegen der Abholzung in ihren Gebieten zu erstatten oder Gewalttätigkeiten innerhalb der indianischen Gebiete - selbst unter Indianern oder zwischen Indianern und Weißen - anzuzeigen.

Wir haben also diese Organisationsform aufgebaut, und es hat viel gebracht. Die in mehreren Gebieten vorher verbreitete Uneinigkeit gibt es sozusagen nicht mehr. Es wird wohl noch ein wenig geklatscht, und es kommen ab und zu Manipulationsversuche vor, aber es sind nur ein oder zwei Indianer oder kleine Gruppen beteiligt. Unsere Tätigkeit wird dadurch jedoch nicht gestört. Und dann merkten die Gemeinden auch, dass die Bemühungen, ein Bündnis aufzubauen, Hand und Fuß hatten. Und so wie die Dinge sich entwickelten, mussten wir uns genauso mobilisieren wie zur Zeit der verfassunfsgebenden Versammlung in Brasília.

Damals waren wir bereits verbündet, aber die APOINME gab es noch nicht. Sie hieß noch "Comissão de articulação Nordeste e Leste". Später haben wir dann eine Vollversammlung gemacht, die "Co-missção" wurde in APOINME umgewandelt, und ich wurde einer der Leiter. Wir sind heutzutage 12 Weggenossen und davon sind 3 für die Leitung verantwortlich. In dem Bündnis sind 29 indianische Völker vertreten."

Interview mit Xicão, geführt von Elizabete Ramos:Memórias do Povo Xukuru; Centro de Cultura Luiz Freire ; übersetzt von Eva Hammerbacher

Brasilien: Kazike der Xukuru ermordet

"Man hat eine Stimme zum Schweigen gebracht, nicht aber unseren Einsatz", heißt es in einer Erklärung der Xukuru der Gemeinde Pesqueira (PE= Bundesstaat Pernambuco), wo am Morgen des 20.05.98 ihr Kazike Francisco Assis Araújo, bekannt als Xicão, ermordert wurde. Aus dem Hinterhalt streckten ihn Pistoleiros mit drei Kopfschüssen im Ortsteil Xukuru nieder.

Aufgrund seines Einsatzes für die Landfrage war Xicão seit 1986 immer wieder mit Morddrohungen konfrontiert. Die 7.500 Xukuru leben zusammengedrängt auf 2.000 ha, obwohl sich ihr angestammtes Land über 27.555 ha erstreckt. Auf den restlichen 25.555 ha sind 181 Fazendas angesiedelt. Am 16.05.98 besetzten die Indios eine dieser von einem Händler illegal erworbenen Fazenda.

Im Zusammenhang mit der Demarkierung des indigenen Gebietes beauftragten Fazendeiros 1995 die Ermordung des FUNAI-Anwalts Geraldo Rolim da Mota Filho. Xicão war der Hauptzeuge dieses Verbrechens.

Nach der Totenwache in Xukuru brachte man am 21.05.98. den Leichnam in die Aldeia Vila de Cimbres, wo der Bischof der Diözese Pesqueira, Bernardino Marchio, einen Gottesdienst zelebrierte. Am 22.05.98 wurde Xicão in der Aldeia Pedra d’·Água, der er als Kazike vorstand, nach den Riten der Xukuru bestattet.

Die Teilnehmer der Vl. Versammlung von COIAB - indigene Vertreter von 56 Organisationen und 157 Völkern - forderten die Bestrafung der Verbrecher, Maßnahmen, um der Gewalt gegen die Indios ein Ende zu bereiten, die Beschleunigung der laufenden Gerichtsverfahren und die Demarkierung aller indigenen Territorien. In der Erklärung wurde nicht nur die Ermordung des Kaziken Xicão, sondern auch der gewaltsame Tod des Kulina-Indianers Miho verurteilt, den ein Händler am 09.05.98 in der Aldeia Kumaru, Gemeinde Caetaú (AM= Bundesstaat Amazonas), erschlagen hat.

Brasília, 21.05.98, Indianermissionsrat - CIMI

Brasilien: Zeugenvernehmung im Mordfall des Kaziken Xicão Xukuru

Seit der Ermordung von Xicão Xukuru am 20.05.98 hat die Polizei von Pesqueira (PE) noch keine Hinweise auf die Verbrecher. Das örtliche Kommissariat hat mehrere Zeugen vernommen, darunter auch die Gattin des Opfers, Zenilda Maria de Araújo. Der am 27.05.98 festgenommene Verdächtige wurde Stunden später wieder freigelassen, da ihn niemand als Täter identifizieren konnte.

Am 28.05.98 überlegten Vertreter vom Volk der Xukuru bei einer Versammlung Strategien, die zur Aufklärung des Verbrechens führen könnten und wie ihr Einsatz für die Demarklerung ihres Landes weitergeführt wird. In der Umgebung erhielten auch andere Indios Morddrohungen. Bereits 1992 fand die Polizei auf der Fazenda von Egivaldo Farias Filho eine Todesliste mit den Namen von 21 indigenen Vertretern, darunter auch die des Kaziken Xicão.

Der Trauerfeier wohnten der Gouverneur Miguel Arrães, der regionale Präsident der Brasilianischen Anwaltskammer (OAB), Aloísio Neves, Parlamentarier, Delegierte der MST=Landlosenbewegung und Vertreter anderer Organisationen bei, um der Familie ihre Anteilnahme zu bekunden.

Auf Vorschlag des CIMI regte der Abgeordnete Fernando Ferro (PT=Partei der Arbeiter/PE) an, eine Vertretung der Menschenrechts-kommission der Abgeordnetenkammer solle sich an den Tatort begeben und die weiteren Untersuchungen des Falls begleiten.

Brasília, 28.05.98, Indianermissionsrat-CIMI

Brasilien: Xukuru bei Gesprächen in Brasília

Eine Delegation mit 45 Xukuru-Vertretern, darunter Angehörige des ermordeten Kaziken Xicão, traf sich in Brasília mit FUNAI-Präsident Sullivan Silvestre, dem Exekutivsekretär des Justizministeriums, Paulo Afonso, Parlamentariern der Menschenrechtkommission der Abgeordnetenkammer, dem Präsidenten des Obersten Bundesgerichtes, Minister Celso de Mello und dem Generalstaatsanwalt der Republik, Geraldo Brindeiro. Bei einer Audienz mit der 6. Kammer der Staatsanwaltschaft stand die Aufklärung der jüngsten Verbrechen gegen Indios und Vorkehrungen zum Schutz des Lebens für jene 21 indigenen Vertreter im Mittelpunkt, deren Namen seit 1992 auf einer Todesliste stehen.

Bei der Unterredung mit FUNAI-Präsident Sullivan Silvestre forderten die Xukuru die rechtmäßige Registrierung und Anerkennung ihres Gebietes. Im Dezember 1996 veröffentlichte die Regierung eine Aufstellung der zu vermessenden / demarkierenden Territorien. Seitdem eine auf dem Papier, nicht aber in der Realität existierende Organisation ein Dokument in Umlauf gebracht hat, das den Indios mögliche Verbrechen anlastet, scheint das Xukuru-Gebiet nicht mehr auf der Liste auf.

Nach dem Bericht der Indios äußerte sich der FUNAI-Präsident nur anerkennend über die Aktivitäten der Bundesregierung ohne auf die indigenen Forderungen einzugehen und Maßnahmen in Aussicht zu stellen.

Für die Xukuru ist Präsident Fernando Henrique Cardoso und das von ihm herausgegebene Dekret 1.775/96 für die Landprobleme, Invasionen und tödlichen Konflikte verantwortlich. Auf der Grundlage dieses Dekrets erfolgten, 272 Einsprüche gegen Demarkierungen, die unter anderen einflußreiche Familien der Region einbrachten. Obwohl die Beeinspruchungen als unzulässig abgewiesen wurden, legten Fazendeiros Berufung gegen die Entscheidung ein.

Brasilla, 04. Juni 1998, Indianermissionsrat - CIMI

Gewalt gegen die Xukuru soll vor UNO und OAS

Fernando Ferro (PT-PE), Vertreter der Kommission für Menschnerechte der Abgeordnetenkammer, versprach am 09. Juni 98 bei einer öffentlichen Audienz in Pesqueira (PE), die Gewaltakte der Fazendeiros gegen die Xukuru vor die Vereinten Nationen und die Organisation der Amerikanischen Staaten zu bringen.

Die Indios berichteten über den Konflikt, der am 20. Mai 98 zum Tod des Kaziken Xicão Xukuru führte und von der telefonischen Ankündigung der Ermordung des Gemeinderates Antônio Pereira (PSB). Letzte Woche erhielt ein Angestellter der Gemeinde einen Anruf, bei dem ein Unbekannter nur sagte: "Ich will gar nicht sagen, was geschehen wird!"

In der kommenden Woche planen der Abgeordnete Fernando Ferro und indigene Vertreter ein Treffen mit dem: regionalen Kommissar von Caruaru, Carlos Gomes de Câmara, verantwortlich für die Untersuchung des Mordfalls Xicão, und mit dem Kommissar der Bundespolizei, Luís Carlos Fazzio, zuständig für die Klärung der Hintergründe des Landkonfliktes.

Vorgesehen ist in den nächsten Tagen auch, daß Zenilda Araújo, die Ehefrau von Xicão und der als Totonho bekannte Indio bei der Bundespolizei Angaben über den Todesschützen für die Anfertigung eines Phantombildes machen.

Brasilla, 10. Juni 1998, Indianermissionsrat - CIMI

Brasilien: Amnesty macht Regierung für den Tod von Xicão verantwortlich

"Der Tod von Francisco de Assis Araújo ist das jüngste Beispiel für das Scheitern der brasilianischen Regierung, deren Verfassungspflicht der Schutz der indigenen Gruppen wäre", heißt es im Dokument "Brasilien: indigene Vertreter als Todeskandidaten", in dem Amnesty International das Dekret 1.775/96 als Grund für die Ermordung des Kaziken Xicão am 20.05.98 in Pesqueira (PE nennt). Der damit ermöglichte Einspruch im administrativen Verfahren fördert Invasionen, Aggressionen und tödliche Gewalt.

Amnesty verweist auf den Bericht "Wir sind das Land: Der Einsatz der indigenen Völker in Brasilien für ihre Menschenrechte", der sich 1993 mit über 20 Gewalttaten, Morde und Gemetzel befaßte. "Bei den in diesem Dokument zusammengefaßten Verbrechen kam es nur in einem Fall zu einem Prozeß, der mit einem Freispruch endete." In den letzten sechs Jahren forderte der Konflikt um das Xukuru-Gebiet wahrscheinlich drei tote Indios.

"Jene, die Menschenrechtsverletzungen gegen die Indios begehen, tun dies meist in der Absicht, sich die in ihren Gebieten vorkommenden Rohstoffe gierig anzueignen und genießen praktisch Straffreiheit." Um die Strafverfolgung im Fall von Xicão zu gewährleisten, fordert Amnesty International von der Regierung eine unabhängige, minutiöse Untersuchung seitens der Bundespolizei, die Erhebung der Morddrohungen gegen Xukuru-Vertreter und Schutz für alle gefährdeten Personen.

Senator setzt sich für den Schutz der Xukuru ein

Am 16. 06.98 berichtete Eduardo Suplicy (PT-SP) im Plenum des Senats von seinem amtlichen Schreiben an Justizminister Renan Calheiros und den geforderten Maßnahmen zum Schutz des Leben der Personen um den Kaziken Xicão, darunter die Witwe Zenilda, drei indigene Vertreter und Maninha Xukuru-Kariri von Palmeira dos Indios (AL), der mit Xicão die Arbeit von APOINME koordinierte.

In einem Schreiben an Senatspräsident Antônio Carlos Magalhães unterstützte Suplicy die von den Xukuru bei Verhandlungen am 09.06.98 in Brasília geforderte Demarkierung ihres Gebietes und die Behandlung des Statuts der Indigenen Gesellschaften (Gesetzesprojekt 2.057/91). Der über den Tod bestürzte Senator beendete seine Rede in der "Gewißheit, daß der Kampf von Xicão nicht vergebens war und seine Kinder und Enkel auf dem ihnen laut Gesetz zustehenden Land in Frieden leben werden".

Brasilla, 25. Juni 1998, Indianermissionsrat - CIMI

Preis für Menschenrechte nach Xicão Xukuru benannt

Das Lateinamerikanische Zentrum Pedro Casaldáliga und die Jugendpastoral von São José dos Campos (SP) werden 1998 erstmals den Preis Xicão Xukuru für Menschenrechte zu Ehren des im Mai ermordeten Kaziken vergeben. Der Einsatz für die Demarkierung des Gebietes Xukuru in der Gemeinde Pesqueira (PE) kostete ihm das Leben. Die Übergabe der Auszeichnung ist für den 18. Oktober 98, dem Tag der Jugend, vorgesehen. Eingeladen dazu sind die Witwe Zenilda Araújo und der Bischof der Diözese São Félix do Araguaia, Pedro Casaldáliga, der sein Lateinamenikanisches Jahrbuch vorstellen wird.

Brasilia, 20. August 1998, Indianermissionsrat - CIMI

Kein Fortschritt im Mordfall Xicão

Drei Monate nach dem gewaltsamen Tod des Xukuru Francisco Assis de Araújo, Xicão genannt, wartet der für die Ermittlungen verantwortliche Kommissar der Zivilpolizei, Antônio Câmara, noch auf das Gutachten über das Fahrzeug, das der Kazike lenkte. Erst wenn dieser Bericht vorliegt, werden die Ergebnisse an die Justiz übermittelt und die Verdächtigen namhaft gemacht. Obwohl Zivil- und Bundespolizei das Verbrechen untersuchen, gibt es bisher keinerlei schlüssigen Erkenntnisse.

Die indigene Gemeinschaft ist über den langsamen Fortgang der Erhebungen aufgebracht und fordert raschere Ergebnisse, damit nicht wieder ein Fall ungestraft bleibt. Solange das Verbrechen nicht aufgeklärt ist, fürchten die Indios um ihr Leben. Trotz der Anwesenheit der Bundespolizei in der Region wurden der Witwe Zenilda Araújo und den Hauptzeugen mehrmals mit Mord gedroht. Zu der von ihnen gemachten Beschreibung des Täters meinte die Polizei, es lägen keine Beweise für die Beteiligung dieser Person vor.

Brasília, 26. August 1998, Indianermissionsrat - CIMI

Kundgebung der Xukuru in Pernambuco

Bei einem Aktionstag der Xukuru am 10. September 98 in Recife (PE) kritisierten die Indios mit Nachdruck die überaus säumige Justiz im Mordfall von Xicão Xukuru. Ihren Protest äusserten sie bei der Sitzung der Legislativen Versammlung des Bundesstaates, als der Bundesabgeordnete Femando Ferro (PT-PE) einen Bericht von der Kommission für Menschenrechte der Abgeordnetenkammer vorlegte. Im Dokument wird der Bundesregierung die Verantwortung für das Verbrechen zugeschnieben, weil sie den indigenen Völkern nicht den in der Verfassung festgelegten Schutz garantiere. Ausgehend von diesem Bericht will die Kommission bei internationalen Foren die Regierung zur Rechenschaft für den Mord ziehen.

Die Xukuru übergaben auch einen Brief mit neuen Morddrohungen gegen Vertreter der Gemeinschaft, die bekannt sind für ihren Einsatz für die Regelung des angestammten Landes. Kopien des Dokuments ergehen an das Justizsekretariat des Bundesstaates, das Sekretariat für Öffentliche Sicherheit und die Bundespollizei. Ihre Trauer bekundeten die Xukuru bei einem Marsch durch die Straßen der Stadt, den sie mit einem rituellen Tanz abschlossen.

Brasília, 10. September 1998, Indianermissionsrat - CIMI

Xukurus protestieren in Recife

Die Indios vom Volk der Xukuru demonstrierten am 04. Juni 98 in Recife im Landtag. Sie trugen ihre traditionelle Kleidung und hatten ihre Gesichter schwarz angemalt, was als ein Zeichen des Kampfes gilt. Vor dem Landtag tanzten sie den Toré - Tanz.

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Während der Demonstration in Recife

Die Xukurus fordern eine Bestrafung der Person, die ihren Häuptling Xicão am 20/05/98 umgebracht hat. Außerdem geht es ihnen noch um die Aufklärung von Landkonflikten auf dem ihnen zugesprochenen Land, das aber in den letzten Jahren immer noch von den rund 281 Großgrundbesitzern und den Kleinbauern besetzt wurd. Die Demarkierung des Landes durch die Regierung ist zwar schon erfolgt, es fehlt aber noch die endgültige Durchführung des Beschlusses. Es gelingt den Großgrundbesitzern immer wieder, die Umsetzung der Gesetzgebung per juritischem Einspruch hinauszuzögern.

Die Indios wünschten eine Untersuchung durch die GOE (Einheit der Polizei für spezielle Operationen). Dilton Conti, der Vertreter der Regierung nahm das Anliegen der Indios entgegen und versprach zwar sich für eine schnelle Lösung des Konflikts einzusetzen Die Einsetzung der GOE im Fall "Xicão" lehnte er allerdings ab.

Die Führer der Indianer sind aber weiterhin Opfern von Morddrohungen von Seiten der Großgrundbesitzer. Die Drohungen dienen der Einschüchterung der Indios in ihrem Kampf um ihr Land.

Hinter dem Protest der Xukurus standen viele Menschenrechtsorganisationen aus dem Inland, aber auch aus Peru, Argentinien, England, Norwegen Belgien und der Schweiz. Außerdem unterstützen Abgeordnete und Anthropologen die Xukurus. Diese Solidarität ist notwendig. Der Druck auf die Regierung muß erhöht werden.

zusammengestellt von Anderson Kopp nach dem Diário der Pernambuco vom 5.6.1998

Kein Geld für die Festnahme der Mörder des Kaziken Xicão

Laut Tageszeitung Jornal do Commércio (PE) gestand die Bundespolizei diese Woche, dass die gemeinsam mit der Zivilpolizei durchgeführten Untersuchungen zwar beendet seien, die Akten aber nicht geschlossen werden könnten, da etwa R$ 12.000 fehlen, um die verdächtigen Mörder von Francisco Assis Araújo anzuzeigen. In diesem Fall müssten sich die Täter für das Verbrechen nicht verantworten und würden straffrei bleiben.

Im Dokument "Brasilien: indigene Vertreter - als Todeskandidaten" bezeichnete Amnesty International die Ermordung des Xukuru als "Beispiel für das Scheitern der brasilianischen Regierung, deren Verfassungspflicht der Schutz der indigenen Völker wäre".

Xicão Xukuru fiel am 20.05.1998 einer Gewalttat zum Opfer, weil vielen sein Einsatz für die Demarklerung des Gebietes Xukuru ein Dorn im Auge war. Die Indios klagte mehrmals über Morddrohungen. Xicãos Tod ist der Bundesregierung anzulasten, die wieder einmal versagte, als eine Gemeinschaft dringend Schutz benötigte.

Brasília, 01. April 1999, Indianermissionsrat - CIMI

Möglicher Amtsmissbrauch im Fall Xicão

Die Staatsanwaltschaft der Republik vom Bundesstaat Pernambuco hat ein administratives Verfahren gegen die im Mordfall des Kaziken Xicão ermittelnde Kommissarin Aída Viana Bento eröffnet. Dabei stützt sich die Staatsanwaltschaft auf eine von CIMI und indigenen Vertretern eingebrachte Anzeige, laut der die Kommissarin autoritär und voller Vorurteile gegen die Xukuru vorgegangen sei. So versuchte sie etwa eine religiöse Zeremonie vor dem Kommissariat zu unterbinden, während einige Indios ihre Aussagen zu Protokoll gaben. Im Januar beschlagnahmte sie den Lastwagen der Gemeinschaft, der kurz zuvor in einen Unfall verwickelt war. Bei dem Lenker des LKW hätte es sich um den Sohn von Xicão gehandelt, der den Tod des Vaters rächen wollte, rechtfertigte sie diese Amtshandlung. Das Fahrzeug wurde erst aufgrund einer richterlichen Verfügung freigegeben.

Die Staatsanwaltschaft betrachtet den angezeigten willkürlichen Akt im Kontext der Konflikte zwischen Indios und Nicht-Indios in der Gemeinde Pesqueira. Sie will gemäß ihrer institutionellen Funktion die Rechte der indigenen Bevölkerung vor Gericht verteidigen und die Schuldigen zur Verantwortung ziehen.

Brasília 13.05.1999, Indianermissionsrat - CIMI

Brasilien: Jahrestag der Ermordung von Xicão

Weil er auf die Demarkierung des Xukuru-Gebiets drängte, in das Fazendeiros der Region eingedrungen waren, wurde Francisco de Araújo am 20.05.1998 ermordet. Die Würdigung seines Einsatzes stand am ersten Jahrestag des Todes in Pesqueira (PE) im Mittelpunkt von Gedenkfeiern, zu denen die Gemeinschaft den Ehrenpräsidenten der PT, Luis Inácio Lula da Silva, Parlamentarier des Bundes, der Bundesstaaten, Vertreter der Staatsanwaltschaft und Solidaritätsorganisationen geladen hatte. Nach der Demonstration vor dem Haus, wo Xicão getötet wurde, fand in Pedra d’ Agua bei der Begräbnisstätte eine religiöse Feier statt.

Die Xukuru sind empört, dass die bisherigen Untersuchungen keine Ergebnisse brachten. Sie kritisieren die antiindigenen Erklärungen der verantwortlichen Kommissarin und fordern deren Abzug von den Erhebungen.

Die Ermordung ihres bedeutendsten Vertreters konnte die Gemeinschaft nicht entmutigen, die bei der Demonstration in Pesqueira zum Ausdruck brachte, dass sie die herrschende Macht niemals zerstören werde. Xicão stand 12 Jahre an der Spitze des Volkes, bemühte sich um die Stärkung des Selbstwertgefühles und die Rückgewinnung von fünf Territorien im Ausmaß von 26.9809 ha. Die FUNAI drängte er dazu, das Demarkierungsverfahren einzuleiten. Der gewaltsame Tod Xicãos bewegte und empörte die nationale und internationale Öffentfichkeit. Amnesty internationai machte die brasilianische Regierung für das Verbrechen verantwortlich, vor allem aufgrund der Herausgabe von Dekret 1.775/96, das den Invasoren die Möglichkeit zum Einspruch gegen Demarkierungen eröffnete.

Xicão war nach José Everaldo Bispo (1992) das dritte Opfer im Konflikt um das Gebiet Xukuru. Kaltblütig ermordete der Fazendeiro Teopompo de Brito Sobrinho 1995 den Anwalt der Indios, Geraldo Rolim.

Brasília 20.05.1999, Indianermissionsrat - CIMI

Angehörige des Vizepräsidenten beeinspruchen das Gebiet Xukuru

Sieben Verwandte von Marco Maciel, Vizepräsident der Republik, sind unter jenen 18 Fazendeiros, die erneut die Annullierung der Demarkierung des Gebietes der Xukuru in der Gemeinde Pesqueira (PE) betreiben. Sie wollen, dass sie ihre Anwesen im Zuge der Demarkierung nicht abtreten müssen. Vor drei Jahren, 1996, haben die FUNAI und das Justizministerium diese und andere 254 Einsprüche bearbeitet.

Von den Invasoren wandten sich 53 an den Oberen Gerichtshof mit der Forderung, die FUNAI möge auf der Grundlage des Dekrets 1.775/96 eine Fristverlängerung für Begründungen gewähren. Die FUNAI und das Justizministerium prüfen nun die 18 fristgerecht eingebrachten Anträge.

Eine Delegation der Xukuru war letzte Woche in Brasília und drängte die FUNAI, die Demarkierung des Gebietes und den Abzug der Invasoren zu beschleunigen. Die Indios klagten über die Spannungen, die sich nach der noch ungeklärten Ermordung von Xicão Xukuru steigerten.

FUNAI-Präsident Márcio Lacerda versprach "vollen Einsatz bei der Lösung der Frage der Homologation" sowie den Abzug der Invasoren innerhalb von 60 Tagen.

Brasília 09. September 1999, Indianermissionsrat - CIMI

Keine Anzeige der Bundespolizei gegen Verdächtigen im Mordfall Xicão

Weil der Beweis fehle, will Romero Meneses, Kommissar der Bundespolizei, Jurandir Gomes nicht als mutmaßlichen Mörder von Xicão Xukuru anzeigen. Der CIMI ist über diese Begründung empört. Öffentliche Geldern wurden verwendet für den Haftbefehl und die Festnahme. Dann erfolgte die Erklärung, in wenigen Tagen werden die Untersuchungen beendet und die Täter bekanntgegeben.

Kurz darauf hieß es überraschend, Jurandir habe mit dem Verbrechen nichts zu tun, obwohl ihn Antônio Severiano Santana (Totonho) als Täter identifizierte. Die Bundespolizei lehnte seine Aussage mit dem Hinweis ab, er sei Trinker, obwohl sein angebliches Alkoholproblem bisher nie zur Sprache kam. Nur Totonho wagte es, der Polizei Hinweise zu geben, die zum Verdächtigen führten.

Für die Ermittlungen bedeutet das einen Rückschlag. Die Brasilianische Anwaltskammer (OAB) wird in einer Petition von der Bundesjustiz fordern, den Verdächtigen weiter festzuhalten. Auf Jurandir Gomes sind noch drei Haftbefehle ausgestellt: zwei wegen Mord und einer wegen Körperverletzung.

Brasília, 21. Oktober 1999, Indianermissionsrat - CIMI

Tod des Häuptlings: zwei Zeugen haben den Verdächtigen nicht erkannt
Die Polizei hat keine Beweise gegen den Landbesitzer

Im Mai 1998 wurde in Pesqueira der 48 Jahre alte Häuptling des Stammes der Xukuru Francisco Pereira de Araújo, Xicão genannt, ermordet: in diesem Mordfall gibt es jetzt eine Wende.

Gestern lösten sich die Belastungsbeweise, die der Landespolizei von Pernambuco gegen den Hauptverdächtigen, den 48 jährigen Landbesitzer Jurandir Gomes de Araújo, vorlagen, in nichts auf. Er soll beauftragt worden sein, den Häuptling zu ermorden. Und das ereignete sich sechs Tage, nachdem er verhaftet worden war und der Fall dank der Presse bekannt geworden war. Die Anklage wegen des Mordes an Xicão wurde fallengelassen, obgleich gegen ihn bereits eine Anklage wegen Tötung vorliegt und er als "Pistoleiro" (Todesschütze) bekannt ist.

Von einer Zeugin war vorgestern Jurandir Gomes de Araújo wiedererkannt worden: Er sei der Mann gewesen, der eine Mütze getragen habe und der, als er mit dem Auto zur Wohnung der Schwester gekommen sei, sechs Schüsse auf den Häuptling der Xukuru abgegeben hätte. Allerdings wollen ihn zwei weitere Personen nicht erkannt haben und eine von diesen Personen hegte Zweifel. Die Polizei ihrerseits beschloss daraufhin - auf Grund der Zeugenaussagen - die Belastung als Irrtum einzustufen. "Wir können doch nicht jemanden zum Schuldigen erklären, nur um dem Druck der Funai (Indianerschutzbehörde) und des CIMI (Indianermissionsrat) nachzukommen oder der Familie des Häuptlings oder wer immer dahinter stecken mag." Das war die offizielle Antwort des leitenden Polizeibeamten des Staates, die dem Journalisten Jaime Lielson gegeben wurde.

Was für die Unschuld des Landbesitzers sprach, war die Tatsache, dass die eigentliche Zeugin in diesem Fall ihn nicht eindeutig erkannt haben will; sie hatte aus einer Entfernung von drei Metern die Ermordung des Häuptlings gesehen. Es gibt jedoch inoffiziell Gerüchte, Jurandir de Araújo und einer seiner Brüder, der Landarbeiter José Francisco, Zito genannt, hätten den eigentlichen Todesschützen gedeckt. "Ich kann sagen, wir haben den Mord deutlich im Auge und wenn Jurandir Gomes im Laufe des Verhörs als irgendwie in diesem Fall als Betroffener ausgewiesen werden sollte, würde man ihn auch benennen", meint Lielson. In der Justiz sind gegen den Landbesitzer noch zwei weitere Prozesse anhängig, wegen Mord und Körperverletzung, und am Montag soll er in das öffentliche Gefängnis von Pesqueira eingewiesen werden.

Jornal do Commércio (PE):16.10.1999; Übersetzung: Franz-Josef Röhr

Neuer Kazike für das Volk Xukuru

Die Xukuru haben wieder einen neuen Kaziken an der Spitze ihrer 23 Dörfer im Landkreis Pesqueira (PE). Vorgestellt wurde er beim Fest Rei de Ororubá, das jährlich vom 01. bis 06. Januar stattfindet. ’Der Pajé hat das von den Geistern eingegebene Ergebnis dem Volk mitgeteilt. Obwohl bei den Xukuru nicht die Tradition der Vererbung des Amtes besteht, fiel die Auswahl auf den 21-jährigen Marcos de Araújo. Er ist der jüngste Sohn des ermordeten Francisco Assis Araújo, genannt Xicão.

Während des Festes sangen die Indios, tanzten rund um den Stein des Rei de Ororubá den Toré und ehrten die weibliche Gottheit Tamain. Für die Xukuru ist der Stein ein Heiligtum. Es ist der Ort ihrer Geister. Dort haben sie auch Xicão beerdigt, oder "eingepflanzt-, wie sie sagen.

Der Kazike wurde am 20. Mai 1998 vor dem Haus seiner Schwester in Pesqueira erschossen. Trotz des internationalen Aufsehens ist die Bluttat noch immer nicht aufgeklärt. Laut Xukuru handelte es sich um ein politisches Verbrechen, angestiftet von den Invasoren.

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Der neue Kazike der Xukuru: Marcos (Marquinho) Luidson Araújo und Zequinha (der Pajé, links)

Zur Zeit des Attentates setzte sich Xicão für die Regulierung das indigenen Landes ein und forderte die Aufklärung der Ermordung des FUNAI-Anwalts Geraldo Rolim im Jahr 1995, der damals die Arbeit der Demarkierung begleitete.

Die Indios waren von der Wahl Marcos de Araújos begeistert. Das jugendliche Alter stellt für sie kein Problem dar. Die Xukuru sind überzeugt, dass der Geist von Xicão den jungen Mann bei seinen Aufgaben leiten wird. Unterstützung bei politischen Entscheidungen erfährt er vom Rat der 12 Vertreter, der die Gemeinschaft bisher vertrat. Marcos hat bereits mehrfach in Brasilia Verhandlungen geführt, um endlich den Abschluss der Landvermessung zu erwirken. Noch immer warten die Indios auf das Dekret der Demarkierung durch den Präsidenten der Republik und den Abzug der Invasoren.

Seit 1987 hat Xicão alles für die Anerkennung der traditionellen Grenzen des indigenen Gebiets Xukuru (27.555 ha) und die Demarkierung unternommen. Einen Teilsieg und eine Verbesserung der Lebensbedingungen erzielte er 1990 mit der Rückgabe von 2.000 ha. Zuvor lebten die knapp 8.000 Indios der Gemeinschaft zusammengedrängt auf 6 ha oder zerstreut in anderen Bundesstaaten in extremer Not.

Das 1996 veröffentlichte Dekret 1.775 brachte auch einen Rückschlag für die Xukuru mit sich. Sie wurden verfolgt, bedroht und einige von ihnen sogar ermordet. Man hinderte sie an der Pflege ihrer religiösen Riten. Trotz dieser Aggressionen fordern sie weiterhin ihr Recht auf Land.

Die Demarkierung des Gebietes wird unter Ausschöpfung aller Rechtsmittel von Fazendeiros und anderen Invasoren, darunter auch einiger Verwandter von Marco Maciel (Vizepräsident der Republik), verzögert.

Brasilia, 06- Januarr 2000, Indianermissionsrat - CIMI

Landregelung hat auch für neuen Kaziken Marcos Priorität

"Ich will die Hilfe von euch allen, von jedem und jeder, angefangen von den Kindern bis hin zu den Alten, um unser Ziel zu erreichen: in Freiheit auf unserem Land zu leben, ohne Abhängigkeit." Mit diesen Worten hat Marcos Luidson Araújo, Sohn von Xicão, am 06. Januar das Amt des Kaziken der Xukuru übernommen.

Zenilda Araújo, Witwe von Xicão und Mutter Marcos, freut sich über die neue Aufgabe ihres Sohnes. Sie ist überzeugt, auch ihr Mann wollte, dass "einer seiner Söhne seinen Platz einnimmt, wenn er unterwegs zur ewigen Reise ist, an der Seite der Gottheiten Tupã und Tamain". Der erwählte Vize-Kazike ist José dos Santos Barbosa, genannt Zé de Santa, Freund und Mitarbeiter von Xicão.

Brasília, 13. Januar 2000, Indianermissionsrat - CIMI

Neue Retomada (Wiederbesetzung)

Die Xukuru belagern noch immer die PE-219. Viele Einwohner von Pesqueira haben sich ihnen angeschlossen. Die Versorgung von Trinkwasser aus einem Reservoir innerhalb des indigenen Gebietes, die Lieferungen der Milchwagen und die Kleinbauern werden nicht behindert. Am 11.02.2000 erhielten die Indios Unterstützung von LKW-Fahrern und Künstlern.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Bundes ist vor Ort zur Anhörung der Indios, um illegale Landverkäufe sowie Gewaltandrohungen im Zusammenhang mit der Blockade der Straße zu verfolgen. Die Fazendeiros wollen die Freigabe der Straße. Die Xukuru werden erst weichen, wenn die Entschädigung ausgezahlt ist und alle Invasoren das 27.555 haumfassende Gebiet verlassen haben.

Besorgt über die Gewalt, die in der Region zunehmen könnte, startet Amnesty International eine Kampagne, die von den Behörden die physische Integrität von Marcos Luidson de Araújo (Kazike) und Zenilda Araújo, Sohn und Witwe des ermordeten Kaziken Francisco de Assis Araújo, fordert.

CIMI - 18. Feb 2000

Stimmen zum Mord an Xicão

Fernando Ferro
Sprecher der Menschenrechtskommission im Nationalkongress

Es war ein angekündigter Mord. Xicão ist schon einige Male verfolgt worden. Er nahm an der Versammlung unserer Kommission teil, in der wir die Probleme mit dem Justizminister besprachen. Nun haben wir wieder einmal die Situation, daß wir hinter dem Schaden herlaufen müssen. Es ist das Martyrium eines weiteren Mitkämpfers. Die Situation in ganz Brasilien ist alarmierend.

Luciana Santos
Präsidentin der Menschenrechtskommission in der Gesetzgebenden Versammlung

Es ist nicht zu akzeptieren, daß wir an der Schwelle zum 21. Jahrhundert noch solche Akte der Grausamkeit erleben müssen. Laßt uns dieses Verbrechen ablehnen und uns mit dem Kampf dieses Volkes solidarisieren. Laßt uns die Verantwortlichen in ihrer Situation begleiten. Es kann sich nicht das wiederholen, was im Falle des Sachverwalters Geraldo Rolim geschehen ist, als die Angeklagten freigesprochen wurden. (1995 wurde Geraldo Rolim von dem Fazendeiro Teopompo de Brito Sobrinho getötet. Geraldo Rolim vertrat als Rechtsanwalt die Landansprüche der Xukuru)

Jacques Schwarzstein
Koordinator von Unicef in Recife

Wir arbeiten seit zwei Jahren mit den Xukuru. In Xicão trafen wir eine sehr seriöse Person, die sich der Gemeinschaft widmete und darauf bedacht war, seine Gruppe zu schützen. Eine bedeutender Führer ist verloren gegangen. Nun obliegt es der ganzen pernambucanischen Gesellschaft, dem Volk der Xukuru eine Schutzgarantie zu geben, die Xicão nicht mehr geben wird. Das Land ist besetzt durch die Kleinbauern, die nicht mehr von dort weichen wollen.

Diário de Pernambuco 21. 5. 1998; Übersetzung: Gerborg Meister

Ein Journalist des DIÁRIO DE PERNAMBOCO führte ein Interview mit Maria das Montanhas Araújo, der Schwester Xicãos

"Wir sind ständig verfolgt"

Die Lehrerin Maria das Montanhas Araújo Magalhães, die Schwester des Kaziken Xicão, beteuerte, dass sie niemals den beispiellosen Kampf ihres Bruders vergessen wird. Trotz der Morddrohungen, die sich gegen die ganze Familie des Ermordeten richten, bestätigt sie, daß der Kampf um die Demarkation des indianischen Landes nicht in Vergessenheit gerät.

DIÁRIO: Wie hat Ihre Familie die Nachricht von der Gefangennahme von Jurandir Gomes de Araújo, der verdächtigt wird, Ihren Bruder umgebracht zu haben?

MARIA DAS MONTANHAS: Es war ein Wirbelsturm der Gefühle. Wir waren froh, daß sie einen, der etwas mit dem Mord zu tun hatte, gefangen hatten. Aber die Auftraggeber sind frei.

DIÁRIO: Die Bedrohungen finden immer noch statt?

MARIA DAS MONTANHAS: Darum fordern wir, daß die Schuldigen inhaftiert werden sollen. Sie fühlen sich sicher, nicht bestraft zu werden. Darum können sie mit den Bedrohungen fortfahren. Zu denjenigen, die das Leben riskieren, gehören meine Neffen, die Söhne Xicãos, mein Vater, meine Schwägerin, ich und Mitglieder des Xukuru-Koordinationsrates.

DIÁRIO: Wie sieht heute die Situation der Demarkation aus?

MARIA DAS MONTANHAS: Der Prozeß ist eigentlich stehengeblieben. Die Indianer besitzen heute weniger als 12% der gesamten Fläche des Reservates. Der Rest ist in den Händen der Kleinbauern.

DIÁRIO: Welche Erinnerung bleibt für Sie mit dem Kaziken verbunden?

MARIA DAS MONTANHAS: Mein Bruder war von Natur aus ein Führer. Er gab sein Leben für unsern Kampf, für unser Volk. Ich kann sagen, daß ich stolz bin, so eng mit ihm zusammengelebt zu haben und ich werde seine Botschaften mein ganzes Leben lang an unsere Kinder weitergeben.

aus: Diário de Pernambuco 15.10.1999; Übersetzung:Gerborg Meister

 

Brasilien: 500 Jahre indianischer Widerstand

Indianer sind bei uns!

Zum Gedenken an die 500jährige Geschichte des Leidens und des Widerstandes der indianischen Völker Brasiliens haben das Institut für Brasilienkunde und der "Arbeitskreis für Entwicklunghilfe Pater Beda" Vertreter des Xucuru-Volkes nach Deutschland eingeladen.

Der kürzlich gewählte Kazike Marcos de Araujo wird begleitet von seinem Stellvertreter José de Santana. Sie wollen hier die europäische Öffentlichkeit über die aktuelle Situation des Xucuru-Volkes im Nordosten Brasiliens und dessen Weg des Widerstandes informieren. Die Ermordung von Xicão, dem früheren Kaziken, im Jahre 1998 hat die brasilianische Öffentlichkeit aufgerüttelt und die schwierige Situation der indianischen Völker, die in Randgebieten Brasiliens ihr Leben fristen, deutlich gemacht.

Vom 10.-25.3.2000 stehen die beiden Xucuru-Vertreter für Presse- und Informationsgespräche zur Verfügung.

Ansprechpartner sind

  • im Institut für Brasilienkunde Pater Osmar Gogolok (Tel. 05452-2358) und Frau Gerborg Meister (Tel. 0541-803130) und
  • im Arbeitskreis Pater Beda (05924-787224)

Mitarbeiter: B.Lobgesang,H.Rescher, G.Meister, E.Hammerbacher,A.Kopp, F.J.Röhr

 

Weitere Informationen: Institut für Brasilienkunde, Tel. 05452-2358, http://www.brasilienkunde.de